Die Preußen am Niederrhein


Das Rheinhochwasser 1668

In jener Zeit verlief das Strombett des Rheines noch nicht so klar abgegrenzt wie in heutiger Zeit. So wie schon im 15. Jhd. eine neue Rheinschleife das "Götterswicker Hamm" hatte entstehen lassen, bahnte sich auch im Jahr 1668 ein neuer Nebenarm auf Höhe von Mehrum an. Bis dahin zog sich der Rheinbogen bei Götterswickerhamm noch weit hin bis zur kurkölnischen Stadt Rheinberg und der Rheinstrom wandte sich erst anschließend von dort aus in Richtung der Ortschaft Ork um dort (also hinter Mehrum) wieder seinem bekannten Verlauf zu folgen. Das Land, das innerhalb dieses Bogen lag, gehörte damals zu Mehrum und ward Mehrumer Grind genannt. 

 

1668 führte der Rhein wieder einmal Hochwasser mit Eisgang und das sich vor Mehrum auftürmende Eis grub damals quasi einen Kanal durch das Mehrumer Grind. So war  auf Mehrumer Terrain ein neuer Rheinarm entstanden, wobei der Hauptstrom aber weiterhin  gleichzeitig  an Rheinberg entlang verlief. 

Dies blieb so bis zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Im Jahre 1701 eroberten dann im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges die Franzosen die Stadt Rheinberg. Doch schon ein Jahr später mußten sie sich gegenüber preußischen Truppen geschlagen geben (kapitulieren) und den Rückzug antreten, währenddessen die Preußen dort erst einmal Fuß fassen sollten.

 

Zu Preussen gehörte damals schon das Herzogtum Kleve. Nun unterstand diesem auch das kurkölnische Rheinberg, und zwar bis ins Jahr 1715, da verließen die Preußen Rheinberg wieder und das Amt Rheinberg wurde an das Erzbistum Köln zurückgegeben. 

 

Rheinberg war schon seit dem Mittelalter eine wichtige Zollstätte für einen Rheinzoll der Kölner Erzbischöfe. So war es den Preussen ein Dorn im Auge, daß man bei der Schiffspassage bei Rheinberg diesen Rheinzoll zahlen mußte, der nur die Kasse der Erzbischöffe von Kurköln füllte. So beschloß man im Jahr 1711, dass man, bevor die Stadt wieder übergeben würde, vorher einige Schiffe, voll beladen mit Kies, so im Rhein zu versenken, dass es den Hauptstrom gen Rheinberg blockieren würde, was dazu führen sollte, dass das alte Strombett über die nächsten Jahre immer mehr verlandete und der Rhein schon bald „in voller Pracht“ direkt an Mehrum entlang Floß. Damit war das Mehrumer Grind endgültig von der Ortschaft Mehrum abgeschnitten und fortan nur noch von Rheinberger Seite zugänglich und wurde so zum „Rhynberkse Grindt“. 


Neuer Verlauf des Rheins entlang von Mehrum

Diese Karte (modifiziert, ursprünglich gezeichnet vom Geometer Johann Bücker aus Xanten) zeigt den Rheinbogen  bei Götterswickerhamm im Jahre 1713, also zu der Zeit, in der Preußen die Stadt Rheinberg besetzt hielt. Sie verdeutlicht die Auswirkungen der  von den Preussen auf Höhe von "de Spey"  versenkten kiesbeladenen Schiffe auf das Rheinstrombett. Der alte Strömungsverlauf vorbei an Rheinberg ist schon ziemlich verlandet, der Hauptstrom fließt schon entlang der Ortschaft Mehrum. 


Königreich Preußen

Das linksrheinische Rheinberg war also nun wieder „cölnisches Territorium“ (1715), die rechtsrheinisch gelegenen Gebiete gehörten aber weiterhin zum Herzogtum Kleve (und somit auch das Amt Götterswickerhamm), welches selbst wiederum dem Königreich Preußen zugehörig war. Das Königreich Preußen war entstanden im Jahre 1701, aus den brandenburgisch-preußischen Gebieten, nachdem sich Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg zum König Friedrich I.  in Preußen gekrönt hatte.

 

Anscheinend wurde im "Staate Preußen" auch direkt das Schulwesen neu geregelt, denn um 1730 erhielt Görsicker ein Schulgebäude, erbaut in unmittelbarer Nähe des Kirche, in der  Südostecke des Kirchhofs. Einer der ersten Lehrer an der Schule war ein Lehrer namens Unkhoff (bis 1737).

 


Friedrich der Große   ("der Alte Fritz")
Friedrich der Große ("der Alte Fritz")

 Der "Alte Fritz"

Auf Friedrich I. folgte im Jahre 1740 die Herrschaft des König Friedrichs II., auch genannt Friedrich der Große, oder volkstümlich der „Alte Fritz“. Er eroberte und behauptete in den schlesischen Kriegen das bis dahin Österreich unterstehende Schlesien. Unter ihm sollte Preußen zur Großmacht aufsteigen.

 

Seine Wirken zeichnete sich aber auch durch eine Reihe  von Erlassen, so zur Religionstoleranz, zur Lockerung der Pressezensur und zur Humanisierung des Justizwesens. So kam es dann 1753 auch zur Einrichtung des Landgerichts Dinslaken, das Gericht Götterswickerhamm wurde damals im Gegenzug aufgehoben, Görsicker selbst blieb aber weiterhin als „Amt Götterswickerhamm“ Verwaltungssitz für die umliegenden Dörfer.


Die Französische Revolution

Freiheit - Gleichheit - Brüdrlichkeit
Freiheit - Gleichheit - Brüdrlichkeit

1789 war dann das Jahr der Französischen Revolution. Frankreich besetzte ab 1793 weite Gebiete in Europa, unter anderem auch das Gebiet hier am linken Niederrhein. 1795 arrangierte sich Preussen mit der Republik Frankreich, und verzichtete auf seinen linksrheinischen Besitz. Neben den linksrheinischen Gebieten betraf das hier in unserer Gegend aber  auch die Lande des Herzogtum Kleves, das Napoleon Bonaparte zusätzlich auch auf rechtsrheinischem Areal annektiert hatte. So wurde das Herzogtum Kleve, dem ja auch Götterswickerhamm angehörte, 1795 aufgelöst. An dessen Stelle trat nun das Großherzugtum Kleve und Berg, ein von 1806 bis 1813  bestehender napoleonischer Satellitenstaat, dass bei Düsseldorf gelegene Schloss Benrath diente als Residenz. 


Mairie Götterswickerhamm

Mairie Götterswickerhamm (Haus Götterswick)
Mairie Götterswickerhamm (Haus Götterswick)

Mit der gleichzeitigen Einführung neuer Verwaltungsstrukturen wurde hier in Görsicker die  „Mairie Götterswickerhamm“ (Bürgermeisterei) erschaffen. Haus Götterswick wurde in diesem Jahr  zum Amtssitz der „Mairie“ und war damals auch  gleichzeitig Wohnsitz des neuen Bürgermeisters de Brauin. Die Mairie Götterswickerhamm umfaßte damals die Orte Görsicker, Mehrum, Löhnen, Möllen, Voerde mit Stockum und Holthausen, sowie Spellen mit Friedrichsfeld. Im Jahr 1810, nach dem Zwangsverkauf von Haus Götterswick, fand Bürgermeiseter de Brauin in der Lindenwirts-Kate neue Wohnung und Räume für die Verwaltung. 


Ende der französischen Besatzung / Wiener Kongreß

 Tagungsgebäude des Wiener Kongresses
Tagungsgebäude des Wiener Kongresses

Die französische Besatzung endete im Rahmen der Befreiungskriege nach der Niederlage von Napoleon 1813 und dem Abzug der französischen Truppen im Januar 1814 vom linken Niederrhein. Als Befreiungskriege oder Freiheitskriege werden die kriegerischen Auseinander-setzungen in Mitteleuropa von 1813 bis 1815 zusammengefasst, mit denen die Vorherrschaft Frankreichs unter Napoleon Bonaparte über große Teile des europäischen Kontinents beendet wurde. Auf dem Wiener Kongresses (1814/1815) wurden die Strukturen in Europa neu geregelt. So wurde Preußen 1815 endgültig Landesherr vom gesamten linken Niederrhein. Das nicht mehr als Amtssitz für dem Bürgermeister genutzte Haus Götterswick erwarb 1853 dann die Kirchengemeinde, samt Nebengebäuden, um es fortan als Pfarrhaus zu nutzen. Görsicker blieb aber Verwaltungssitz für alle umliegenden Dörfer (Löhnen, Mehrum, Möllen und Spellen, einschließlich Voerde, mit der amtlichen Bezeichnung „Bürgermeisterei Götterswickerhamm, Kreis Ruhrort”.


Kaiser Wilhelm I. von Deutschland
Kaiser Wilhelm I. von Deutschland

Auf den Weg zum Nationalstaat

Die Ideen der Französischen Revolution  durchdrangen nun aber auch die neue Ordnung in ganz Europa. Das Ringen um ihre Verwirklichung prägte die 1800 - Jahre, so wie das Bestreben zur Bildung demokratisch geprägter Nationalstaaten. 

 

So erklärte König Friedrich Wilhelm IV von Preußen im März 1848  „Preußen geht fortan in Deutschland auf“. Seine Wahl im März 1849 zum deutschen Kaiser lehnte er jedoch ab. Es war aber ein 1. Versuch einen deutschen Nationalstaat zu bilden.

 

 

Der Weg zum deutschen Nationalstaat führte dann über Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen aus dem Hause Hohenzollern. Am 18. Oktober 1861 krönte er sich im Schloss Versailles zum König von Preußen. Die Regierungsgeschäfte überließ er seit 1862 weitgehend seinem Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzler Otto von Bismarck, der mit seinen Einigungskriegen ein preußisch dominiertes Deutsches Kaiserreich erschuf. So wurde mit der Reichsgründung im Jahre 1871 aus König Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen der 1. deutsche Kaiser, Kaiser Wilhelm I.


Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben !

Kaiser Wilhelm  I. starb am 9. März 1988. Schon zu Lebzeiten genoß er eine hohe Popularität und war sehr beliebt im Volke. Das zeigt sich auch in der hiesigen Schulchronik des Herrn Lehrer Mahjert, der in den Jahren 1872  bis 1906 an unserer Dorfschule unterrichtete. Dort ist zu lesen, wie man Jahr für Jahr den Geburtstag Sr. Majestät feierte. 

 

Außerdem heißt es dort: Neben dem Geburtsfeste unseres geliebten Kaisers und dem Sedanfeste, wurde am 10. November der 400 jährige Geburtstag des großen Reformators Dr. Martin Luther hier in der Kirche von sämtlichen Schulen der Gemeinde gemeinsam gefeiert. Zum Andenken an diesen Tag wurde der Schule das Öldruckbild: „Luther die Bibel übersetzend” von Sr. Majestät geschenkt.

 

Seit dem Ende des Deutschen Kaiserreichs 1918 wurde Kaiser Wilhelm I. mit einem  "Gassenhauer" auf der Melodie des "Fehrberliner Reitermarsches besungen, mit der allseits bekannten Zeile „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben“ (aber den mit´m langen Bart).

Die Weimarer Republik

Nach dem Sturz von Kaiser Wilhelm II.  (deutscher Kaiser und König von Preußen von 1888 bis 1918) während der Novemberrevolution 1918/19 wurde nach dem I. Weltkrieg die Weimarer Republik begründet. Der kriegsbedingte wirtschatliche Zusammenbruch und zeitweise bürgerkriegsähnliche Zustände bereiteten zunächst große Probleme. Die Republik wurde von links - und rechtsextremen Putschversuchen bedroht. Auch hier am Niederrhein gab es nach Kriegsende weitere Unruhen, davon zeugt  ein Foto aus dem Jahre 1920 von getöteten Rotgardisten darliegend am Leitgraben in Voerde - Möllen.  

 

Anfang der 20er Jahre stabilisierte sich die Lage jedoch, es ging wieder aufwärts und man sollte später von den "Golden Zwanzigern sprechen. So wurde hier in Götterswickerhamm das "Strandhaus Ahr"  (eine ehemalige Schnapsbrennerei) zu einem modernen Ausflugslokal,  umgebaut. In den Anfangsjahren besaß es sogar tatsächlich auch einen Badestrand.

 

Infolge der Weltwirtschaftskrise kam es ab 1929 aber wieder verstärkt zu Arbeitslosigkeit und Armut.  Im März 1930 zerbrach die letzte parlamentarisch gestützte Koalitionsregierung 

Nach den Reichstagswahlen vom 14.9.1930 wurde die NSDAP, nach der SPD, zweitstärkste Fraktion und der Grundstein zum Aufstieg Adolf Hitlers war gelegt.

 

Das III. Reich

Als „ Drittes Reich “ wird Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus (1933 - 1945) bezeichnet. Die allgemeinen Geschehnisse dieser Zeit sind bekannt. Es sei hier jedoch auf einen Bericht eines Zeitzeugen aus dem Rheindorf Mehrum hingewiesen. Zum Lesen einfach auf den Button unterhalb klicken

Götterswickerhamm erging es in diesen Tagen auch nicht viel besser, neben zahlreichen Gebäuden wurde auch unsere Kirche durch Granatbeschuß schwer beschädigt. Da wurde das Gotteshaus einfach als guter Aussichtsturm angesehen und wurde damit zu einem strategischem Ziel. 


Aus Görsicker Wurde wieder Götterswickerhamm

Das Kirchdorf hieß also zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer noch Görsicker. Dieser Name hatte allerdings keinen unter den Dorfbewohnern gewachsenen Ursprung, war also eher ungebräuchlich und entsprang nicht dem Volksmund. So gab es über die Zeit auch Bestrebungen, mit denen die Einwohner unseres kleinen Rheindorfes versuchten, den alten Dorfnamen wieder zu erlangen. Ein erster Versuch 1889 führte nicht zum Erfolg und auch ein zweiter Versuch 1925 schlug zunächst fehl. Erst im Jahr 1934 wurde durch Verfügung des Regierungspräsidenten aus Görsicker wieder Götterswickerhamm.

 


Götterswickerhamm - Perle am Niederrhein

Im Jahr 1926 erfüllte sich der langersehnte Wunsch der Dorfbewohner nach einem Weg über den Deich,  „jedermann konnte sich damals über die schöne, mit Plantanen eingesäumte Straße erfreuen, die einen herrlichen Blick auf Vater Rhein gewährte.“

 

Mit diesem neuen Weg über den Deich, der dann später als „Dammstraße“ benannt wurde, verbunden mit einer schönen Rheinpromenade und dem historischen Linnepad (Leinpfad) wurde der Grundstein dafür gelegt, dass das Rheindorf zu einem Erholungsort im Grünen für unzählige Menschen aus dem Umkreis bis weit hinein ins Ruhrgebiet wurde. Eine ganze Reihe von Wirthäusern und Ausflugslokalen befanden sich im Verlauf der Dammstraße, aufgereiht wie Perlen an einem Faden und von daher rührt vielleicht auch der schöne Name her:

 

Götterswickerhamm - Perle am Niederrhein

 

 


Der obige Text basiert im Wesentlichen auf verschiedene Beiträge aus dem Heimatkalendern Dinslakens von den Heimatforschern Walter Neuse, Wolfgang Petri und Willi Dittgen sowie auf Informationen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia.