Haus Ahr






Haus Ahr

Nahe der östlichen Dorfeinfahrt (Ahrstraße) von Götterswickerhamm, gelegen hinter einem kleinen Wäldchen, befand sich einst das  ritterliche Gut "Haus Ahr", das schon im 13. Jahrhundert (Landesherren waren in jener Zeit die Herzöge von Kleve) von den Rittern „von der Are“ als Burghaus begründet worden war.

 

[ Das Herzogtum Kleve war ein Territorium des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis zu beiden Seiten des Rheins zwischen dem Hochstift Münster, dem Reichsstift Essen, den Herzogtümern Berg, Jülich und Geldern sowie dem Kurfürstentum Köln gelegen..

Gegründet: 1092  / Auflösungsdatum: 1795 ]

 

Ursprünglich handelte es sich dabei wohl um einen einfachen oder zweistöckigen Turm aus massivem Backstein. Im Jahr 1241 findet die erstmalige Erwähnung von Haus Ahr statt, denn ein Wolter von Are bezeugte die Verleihung der Stadtrechte von Wesel durch Graf Dietrich IV von Kleve. 1273 tritt ein Albert von Are als Zeuge bei der Ernennung Dinslakens zur Stadt auf.

Die Flussmühle

Unweit von Haus Ahr befand sich da, wo sich wohl schon im Mittelalter eine neue Rheinschleife gebildet hatte (heute noch erkennbar am Verlauf des Mommbachbogens) ein besonderes Bauwerk. Man hatte sich dort die Strömungskraft der  fließenden Wasser des neuen Rheinarmes zu Nutze gemacht, um dort eine Wassermühle zu betreiben. Dabei soll es sich damals um eine Flussmühle mit unterschlächtigen (auf der Unterseite vom Wasser angetrieben) Rad gehandelt haben (belegt durch einen Reparaturschein aus dem Jahre 1495).

 

Über die Jahrzehnte verlandete die Rheinschleife aber wieder mehr und mehr (letztmalig findet die Mühle Erwähnung im Jahr 1612 in Bezug zur Vergabe von Fischereirechten „von der Balkenmühle den Bach hinab bis zur Schleuse in Mehrum“) und die Mühle wurde irgendwann wieder aufgegeben. Sie gehörte seinerzeit auch zum Möllmannshof, aus dessen Namen sich übrigens auch der Name der Bauernschaft Möllen ableitete.

 

 

Haus Ahr über die Zeit

Die späteren Besitzer des Rittergutes wechselten von einem Geschlecht zum anderen, genannt seien hier zum Beispiel die Familien „von der Heyden“ und „von der Loen“. 

 

1695 verkaufte Albrecht von der Loen das Haus an Johann Adolf von Gamm. Das Gut wechselte durch Erbschaft oder Schenkung (alles innerhalb der Familie) mehrfach den Besitzer bis es schließlich der Witwe Karoline Tendering veräußert wurde.

 

Die Tenderings waren zuvor über mehrere Generationen Rentmeister des nahe gelegenen Hauses Mehrum und verwalteten den umfangreichen Besitz des Freiherrn von Plettenberg. Sie nutzten ihre Stellung aber auch um selbst Grundstücke und kleinere Höfe anzukaufen und besaßen z.B. auch linksrheinisch im Rheinberger Grind Weidegrund.

 

Als sich 1823 die Gelegenheit bot Haus Ahr zu kaufen, nahmen sie die Gelegenheit war und erreichten so selbst den Status selbständiger Großgrundbesitzer. 

 

1824 heiratete Karolines Sohn Karl Tendering die damals 20jährige Pfarrerstochter (des Pfarrers von Budberg, Pfarrer Wilhelm Johann Gottfried Roß) Antoinette Friederika Luisa Roß. Als Karls Mutter Karoline dann 1826 verstarb wurde ihm im Einvernehmen mit seinen Geschwistern endgültig Haus Ahr übertragen. 

 

Das von den Rittern „von der Are“ als Burghaus begründete Anwesen war in jener Zeit schon in einem schlechten Zustand und Karl Tendering ließ das alte, baufällig gewordene Gebäude abreißen und errichtete im klassizistischen Stil (im Stil jener Zeit) für sich und seine Familie ein neues Domizil.

 

Außerdem  erwarb Karl Tendering zusätzlich auch noch den naheliegenden Möllmannshof und errichtete auf dem Gelände eine Schnapsbrennerei („Ahrscher Korn“). 

 

Betty Tendering

Karl und Antoinette hatte gemeinsam vier (5) Töchter: Karoline Wilhelmine (Lina) geb. 1925, Luise Friderike geb.1926, Berta Auguste geb.1928 und Elisabeth Friederike (Betty) geb. 1931. 

 

Verschiedene Geschichte ranken sich um die jüngste Tochter der Familie, Betty Tendering. Der Schriftsteller Gottfried Keller z.B. hatte sich in die damals 24jährige verliebt und sie als Figur in seinem Roman „Der grüne Heinrich“ aufleben lassen, seine Gefühle wurden allerdings nicht erwidert. Betty Tendering heiratete am 21. Juni 1860 in Wesel den Brauereibesitzer Heinrich Tigler und machte mit ihm eine Hochzeitsreise nach Amerika. Betty Tendering starb am 13. April 1902.

 

Haus Ahr im 20. Jahrhundert

 

Haus Ahr überstand den 1. Weltkrieges unbeschadet, doch in jener Zeit mußte die Fabrikation in der benachbarten Schnapsbrennerei aufgegeben werden. Nach dem Krieg wurde das Gebäude in ein modernes  Ausflugslokal (Strandhaus Ahr) umgebaut und in den Anfangsjahren besaß das „Strandhaus“ sogar auch einen Badestrand.

 

 1960 wurde der Dinslakener Senator Fritz Meyer Eigentümer von Haus Ahr, wo zeitweilig auch die Burghofbühne Dinslaken ein Asyl und Raum für die Unterbringung ihrer Utensilien fand. Nach dem Auszug der Burghofbühne stand Haus Ahr leer und wurde dem Verfall preisgegeben. Die Zerstörung der Bausubstanz war abzusehen, es hätten erhebliche Geldmittel in die Hand genommen werden müssen um dies zu verhindern. Die damalige  Privateigentümerin schien dazu nicht bereit oder in der Lage zu sein. 

 

Auch im Verein für Heimatkunde und Verkehr gab es kaum eine ernsthafte Stimme, die für das Haus viel Geld locker machen wollte, da es ja in Privatbesitz war. Aus Voerde konnte man hören, dass man ja immerhin noch zwei alte Herrensitze in Haus Wohnung und Haus Voerde habe. 

 

Nach dem Verfall des Herrenhauses wurde der Dachreiter durch den Verein für Heimatpflege und Verkehr Voerde sichergestellt und liebevoll restauriert. Er wurde zur Erinnerung an der Zufahrt der Ahrstraße aufgestellt und ist das letzte Überbleibsel von Haus Ahr, dem einstmals prächtigen Rittersitz aus dem 13. Jahrhundert.

  


 

Der obige Text beruht im Wesentlichen auf den Ausführungen von Willi Dittgen im Heimatkalender der Stadt Dinslaken: Betty Tendering und der grüne Heinrich.

 

 

https://land-dinslaken.de/images/Heimatkalender%20Wesel/HK%20Wesel%201990%20-%20Willi%20Dittgen%20-%20Betty%20Tendering%20und%20der%20Grüne%20Heinrich%20-%20Haus%20Ahr%20in%20der%20Literaturgeschichte.pdf